Keine Alimentations Klage mehr! Schutz den Müttern!
26 Februar 1905 — Bei der öffentlichen einführung des Bundes für Mutterschutz, Berliner Architektenhaus, Berlin, Deutschland
Es braucht nur ein Wort, das manches Herz im Stillen bewegt, in die Welt hinausgerufen zu werden, und sogleich steigen die Gedanken, die viele schon für sich gehegt haben, auf die Lippen, und das Wort findet einen mächtigen Widerhall. Und alle, die sich, unabhängig von einander, mit der gleichen Frage beschäftigt haben, erheben spähend die Köpfe und grüßen einander in freudigem Erkennen.
So erging es uns mit unseren Bestrebungen für Mutterschutz.
Als wir im letztvergangenen November zu Vorberatungen in Leipzig zusammen waren, da wollten wir nicht auseinandergehen, ohne wenigstens provisorisch einen „Bund für Mutterschutz“ geschlossen zu haben. Eine Urkunde wurde am 12. November 1904 in Leipzig, Hotel Sachsenhof, zu dritt unterzeichnet, worauf eine Notiz durch die Presse ging. Diese drei ersten Unterzeichner waren Bezirksamtsassessor a. D. und Gutsbesitzer Heinrich Meyer, jetzt in München, Dr. med. Landmann in Eisenach und ich.
Schon während der Beratungen kamen Zustimmungen von Freunden der Sache, und heute blicken wir auf eine stattliche Anzahl wertvoller Namen, die unsern Bund unterstützen wollen, und wir hoffen daß der Freunde immer mehr werden.
Während wir unsere Pläne vorbereiteten, erhob in Berlin ein junges Schwesterunternehmen am 14. Dezember 1904 sein Haupt: „Der Verein für Mütter — und Kinderheime“.
Er hat einen Haupt-Programmpunkt mit uns gemeinsam: nämlich die Schaffung von Heimen, in denen nicht verheiratete Mütter mit ihren Kindern dauernd zusammenwohnen können.
Die Praxis hat ergeben, daß das Muttergefühl immer stärker erwacht und ganz besonders in den Saüglingsheimen erweckt wird. Wenn die Mütter erst ein paar Wochen mit ihren Kindern zusammen gewesen sind, wenn die Mutter erst ihr Kind kennt und liebt, so will sie sich viel weniger von ihm trennen, als am ersten Tage. — Diesen Wunsch muß man unterstützen und verwirklichen helfen, sonst würde man ja den Zweck der Säuglingsheimen illusorisch machen. Man würde mit der einen Hand geben und mit der anderen nehmen. In dem ersten bereiteten Mütterheim der Frau Westphal, Uhlandstraße 42, sollen nun Mütter und Kinder zusammenbleien dürfen, wenn die Mutter wieder tagsüber in Arbeit oder in Stellung geht. Das Kind wird in Abwesenheit der Mutter in Hem gepflegt. Abends findet sie es wieder und darf es lieb haben. Und das Kind kennt seine Mutter und darf sie lieb haben. „Das Band soll nicht zerrissen werden“, sagt der junge Verein. — Dasselbe sagen wir.
Eine zweite Kundgebung in unserem Sine ist eine Broschüre von Anna Pappritz: „Die Errichtung von Wöchnerinnenheimen und Säuglingsasylen — eine soziale Notwendigkeit, eine nationale Pflicht“. Die Verfasserin trägt mit vieler Mühe alles Material über schon bestehende Anstalten dieser Art in Deutschland zusammen, und sie fordert deren immer mehr vom Staate und von den Gemeinden.
Quelle: Keine Alimentationsklage mehr! Schutz den Müttern! Ein Weckruf an alle, die eine Mutter hatten. Leipzig 1905.